Letzte Woche war ich in New York beim Vision Festival, das vom 20. bis 30. Juni stattfand. Das Vision Festival findet seit 1995 jährlich statt und ist das Festival für Free- und Avantgarde Jazz. 2000 war ich schon mal beim Vision Festival, als ich ein paar Tage in New York Zwischenstation machte. Da ich jetzt näher an New York wohne, habe ich eine Woche frei genommen und bin nach New York geflogen. Gewohnt habe ich in einem Apartment in Harlem (West 125th St.), das eine Bekannte gebucht hatte.
Auf der Vision Festival Facebook Seite wurde nach freiwilligen Helfern gesucht, also habe ich mich gemeldet. Dadurch lief das ganze etwas anders ab als geplant: Anstatt Konzerte anzuhören, stand ich die meiste Zeit in der "Küche", d.h. hinter der Theke im Keller, wo Essen und Getränke verkauft wurden. Von der Musik habe ich nur sehr wenig gesehen, außer bei den Rahmenveranstaltungen und Afterhour Sessions, und am Samstag nachmittag, da war die Theke nämlich geschlossen. Das wurde aber durch die vielen neuen Bekanntschaften mit den Organisatoren (Patricia und Miriam Parker), anderen Helfern und Musikern mehr als aufgewogen. Weltberühmten Jazzveteranen (Joseph Jarman, Muhal Richard Abrams, Amiri Baraka, Kidd Jordan, William Parker, Hamid Drake, Roy Campbell, Sabir Mateen und vielen anderen) persönlich zu begegnen und einige Worte mit ihnen zu wechseln ist eine andere Erfahrung als nur im Saal zu sitzen und zuzuhören.
Die Auftaktveranstaltung war am Sonntag: A Gathering of the Tribes (285 East 3rd St, Lower East Manhattan), Poetry & Music im Garten hinter dem Haus. Tribes ist eine Galerie im ersten Stock, auf der Rückseite führt eine Treppe hinunter in den Garten. Lesungen u.a. von Barry Wallenstein, Yuko Otomo, Steve Dalachinsky, mit musikalischer Begleitung von Joe Morris (Bass), Charles Waters (Saxophon), Andrew Barker (Percussion) und anderen.
Am Montag nachmittag gab es ein kostenloses Freiluftkonzert auf einem Spielplatz mit zwei Bands, die erste, Little Huey's Sextet & Children unter Mitwirkung von etwa 15 Kindern, die ihr Spielen unterbrochen hatten um sich an allerlei Perkussionsinstrumenten zu betätigten. Abends dann vier Bands in einem winzigen aber vollen Club, der so heiß war dass einem der Schweiß nur so runter lief. Höhepunkte waren das Darius Jones Trio (Powerfreejazz) und The Lowest Common Denominator mit Tim Berne.
Das Hauptfestival begann am Mittwoch im Abrons Arts Center (466 Grant St), allerdings verbrachte ich die meiste Zeit wie schon gesagt im Keller hinter der Theke. Einige kurze Eindrücke von den Konzerten konnte ich zischendurch aber schon aufschnappen, darunter den extrem kraftvollen Freejazz von John Blum (Klavier) und Jackson Krall (Schlagzeug) und eine Solobass-Improvisation von Hilliard Greene. Am Samstag Nachmittag konnte ich mir dann doch noch alle drei Konzerte in voller Länge anhören. Besonders gut gefiel mir der Auftritt von Lorenzo Sanguedolce und seinem Quartet, wunderschöner fließend atmosphärischer Freejazz.
Am Mittwoch, Donnerstag und Freitag gab es auch noch offene Afterhour Sessions im Clemente Soto Velez Kulturzentrum, geleitet von Kidd Jordan, Hamid Drake und Jason Kao Hwang. Hamid Drake's Session stand ganz im Zeichen des am selben Tage verstorbenen Saxophonisten Fred Anderson, der eigentlich am Abend noch hätte auftreten sollen. Am Ende bezog Hamid das Publikum in einen Tanz zu Ehren Fred Andersons ein.
Neben dem Festival war auch noch Zeit um über die Brooklyn Bridge nach Brooklyn zu laufen und die Chinatown in Flushing zu besuchen, die wesentlich kleiner als die in Lower Manhatten ist und im wesentlichen aus zwei Straßen am Endpunkt der Subway Linie 7 besteht. Außerdem wäre noch Wechsler's Currywurst auf der 1st Avenue, zwischen 6th und 7th St, erwähnenswert, wo es nicht nur echte deutsche Currywurst mit Fritten (wahlweise auch Sauerkraut) gibt, sondern auch Radeberger Pilsener und Reissdorf Kölsch vom Fass!
Leider musste ich am Sonntag schon wieder abreisen, während das Vision Festival noch bis Mittwoch ging. Der Rückflug dauerte länger als geplant, da sich durch die Air Traffic Control mein Flug nach Chicago verspätete und ich auf einen späteren Anschlussflug nach San Francisco umgebucht wurde, auch noch mit zusätzlichem Zwischenstopp in San Diego. Um ein Uhr nachts kam ich schließ zu Hause an.